Dr. Frank Schoch, Rechtsanwalt

Keine vorschnelle Aufgabe bei Enterbung

Es kommt aus den unterschiedlichsten Gründen vor, dass Eltern versuchen, ihre Kinder zu enterben. Auch Ehegatten versuchen sich häufig gegenseitig zu enterben, weil etwa ein neuer Partner bevorzugt werden soll. Nach dem Willen des Gesetzgebers, ist ein Erblasser grundsätzlich frei in der Gestaltung seiner Erbfolge. Kindern und Ehegatten (und in bestimmten Fällen auch den Eltern) steht allerdings im Falle ihrer Enterbung der gesetzliche Pflichtteil zu. Dieser Pflichtteilsanspruch kann nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen entzogen werden (§ 2333 BGB), nämlich dann wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder einer diesem nahe stehenden Person nach dem Leben trachtete oder ein schweres Verbrechen gegen den Erblasser oder nahestehende Personen verübt hat. Gleiches gilt bei Verletzungen der Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser oder bei sonstigen schweren Straftaten, die eine Teilhabe am Nachlass unzumutbar machen.

Da die Voraussetzungen für einen Entzug des Pflichtteils nur selten vorliegen, versucht der Erblasser häufig noch zu Lebzeiten durch Schenkungen an diejenigen, die anstelle der enterbten Kinder oder Ehegatten begünstigt werden sollen, ihr Vermögen zu vermindern, um den Pflichtteil der Kinder oder des Ehegatten zu schmälern oder ganz auszuhöhlen. Häufig geschieht dies durch im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgende Schenkung von Immobilien zu Lebzeiten.  Für diese Fälle sieht der Gesetzgeber in § 2325 BGB einen Pflichtteilsergänzungsanspruch vor. Berücksichtigt werden Schenkungen innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall, der Höhe nach gestaffelt, je nach abgelaufenen Jahren. Im ersten Jahr werden die Schenkungen wertmäßig voll dem Nachlass für die Berechnung des Pflichtteils hinzugerechnet, in den weiteren Jahren jeweils vermindert um 10 %. Der Erbe muss dann dem Pflichtteilsberechtigten in Höhe des Pflichtteils den entsprechenden Wert auszahlen.

Damit der Pflichtteilsberechtigte überhaupt in der Lage ist, seine Ansprüche durchzusetzen, gibt ihm das Gesetz Auskunftsansprüche gegen den Erben. Die Auskunftspflicht des Erben gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten nach § 2314 BGB erstreckt sich nicht nur auf den tatsächlichen Nachlassbestand, sondern auch auf den sogenannten fiktiven Nachlassbestand, also auch auf die ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers nach §§ 2316 Absatz 1, 2052, 2055 BGB, seine Schenkungen innerhalb seiner letzten 10 Lebensjahre (§ 2325 BGB) und auf seine unbenannten Zuwendungen.

Bemerkenswert ist, dass nicht nur Schenkungen von Grundstücken und Wertgegenständen ausgleichspflichtige Schenkungen darstellen können, sondern beispielsweise auch die Zuwendung von Pflegerechten an Dritte, wenn diese Pflegerechte mit der Übertragung von Nachlassgegenständen verbunden werden. Entschieden ist dies beispielsweise für ein Pflegerecht, das einer entfernten Verwandten vom Erblasser zugewandt wurde und mit dem gleichzeitig der von einer Immobilienübertragung begünstigte Sohn belastet wurde (OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 512).

Es lohnt sich für enterbte Kinder und Ehegatten also in jedem Fall, genau hinzusehen. Die Pflichtteilsrechte sollten nicht vorschnell aufgegeben werden. Berücksichtigen muss man aber  immer, dass diese Rechte grundsätzlich binnen 3 Jahren verjähren. Schnelles Handeln ist also anzuraten, da erfahrungsgemäß notwendige Vorermittlungen (bspw. Grundbuchrecherchen) einige Zeit in Anspruch nehmen.